Egal aus welcher Himmelsrichtung sich Besucher Gieboldehausen im Eichsfeld nähern – sie sehen den heiligen Laurentius, den Patron der Kirche. Sein Fest Anfang August ist ein Feiertag für den ganzen Ort. Auch heute noch.
An Laurentius kommt in Gieboldehausen keiner vorbei. Schon von Weitem ist er zu sehen – auf der Spitze der Kirche, deren Patron er ist, an der Wetterfahne. Natürlich ist eine Straße nach dem Heiligen benannt, der als Märtyrer durch eine besondere Tat zur Ehre der Altäre erhoben wurde: Als er um das Jahr 258 von Kaiser Valerian verfolgt wurde, sollte er nach der Hinrichtung von Papst Sixtus als römischer Erzdiakon alle Schätze der Kirche herausgeben. Daraufhin verteilte Laurentius das Vermögen an die Mitglieder der Gemeinde, versammelte alle Armen und Kranken und präsentierte sie als den wahren Reichtum der Kirche dem römischen Herrscher.
Die mutige Tat kostete ihn das Leben. Er wurde auf einem glühenden Eisenrost hingerichtet. Daher wird Laurentius als Märtyrer mit dem Rost als Attribut, als Erkennungszeichen, dargestellt. Seine letzten Worte soll er an Kaiser Valerian gerichtet haben: „Du armer Mensch, mir ist dieses Feuer eine Kühle, dir aber bringt es ewige Pein.“ Das Ende des Herrschers soll in der Tat schmachvoll gewesen sein: Ihm wurde nach seinem Tod die Haut abgezogen.
Die Verehrung des heiligen Laurentius hat in Gieboldehausen eine mehr als tausend Jahre währende Tradition. Schon die allererste Kirche soll zu „Ehren unseres Herrn Jesus Christus, der heiligen und immerwährenden Jungfrau Maria und des heiligen Märtyrers Laurentius“ erbaut worden sein. Ob nun im 9. oder 10 Jahrhundert geht aus den Quellen – die Kirche findet Erwähnung in Besitzurkunden des Klosters Gandersheim – nicht genau hervor. Dennoch enthalten diese Schriftstücke die Gründungsgeschichte der Kirche. Sie soll vom Gieboldehäuser Burgherrn und Graf Biso gestiftet worden sein, der ihr auch Reliquien des Heiligen schenkte, die er selbst von Papst Marinus bekam. Unklar ist, auf welchen der beiden Päpste dieses Namens sich die Schenkung bezieht.
Ein Feiertag für den ganzen Ort
Zurück zur Gegenwart: „Auch heute noch ist unser Patronatsfest ein Feiertag für den ganzen Ort“, sagt Matthias Kaminski, seit 13 Jahren Pfarrer von St. Laurentius. Um 8 Uhr läuten alle Glocken, egal ob der Kalender das Fest auf einen Werk- oder Sonntag legt. „Früher ruhte auch die Arbeit“, berichtet Annemarie Hähnel. Das ist heute nicht mehr so. Die Rentnerin kann sich noch gut erinnern, dass sie als kleines Mädchen bei der Prozession mitgelaufen ist: „Mit dem guten Kleid“, wie sie lachend sagt. Außerdem gab es immer 20 oder 30 Pfennig von den Großeltern. Viel Geld damals und einem Umstand geschuldet: „In Gieboldehausen heißt es, dass Laurentius das Schützenfest bringt.“
Patronats- und Schützenfest fallen auch noch heute zusammen. Erst wird der Heilige gefeiert, dann begehen die Schützen ihr Volksfest samt kleinem Rummel. Die Bruderschaft hat in einem Ort, an dem keiner an Laurentius vorbeikommt, einen kleinen Makel: „Sie ist nach dem heiligen Sebastian benannt“, berichtet Pfarrer Kaminski. Aber auch die im 14. oder 15. Jahrhundert gegründete Bruderschaft ist seit Jahrhunderten der Laurentius-Kirche verbunden. Wieder fehlen genaue Dokumente, die möglicherweise bei einem Brand im Jahr 1694 Opfer der Flammen wurden – wie das Pfarrhaus und weitere 140 Häuser im Ort.
Verbindlich hat sich die Bruderschaft aber die christliche Liebe in die Satzung geschrieben. Bei der Prozession zum Patronatsfest führt sie den „Schützenpfosten“ mit – einen aus dem 18. Jahrhundert stammenden Stab mit einer Skulptur des von Pfeilen durchbohrten Märtyrers.
„Der Umgang um die Kirche war immer ein Ereignis und ist es heute noch“, findet Marlies Burchhardt, die wie Annemarie Hähnel seit ihrer Kindheit in Gieboldehausen lebt. Die Schützenbruderschaft, der Spielmannszug, die Lieder, das Te Deum, der Lob-, Dank und Bittgesang der Kirche – „all das prägt doch unser Leben als Christen“, sagt sie. Beeindruckend sei schon allein der Blumenschmuck in der jetzt fast 300 Jahre alten dritten St.-Laurentius-Kirche: rote Gladiolen, einem Festtag angemessen. Extra angepflanzt von einem Gemeindemitglied.