Die Gemeinden werden immer größer, die Strecken immer länger. Für einen Pfarrer ist es da oft kaum zu schaffen, auch noch Gottesdienste in Seniorenheimen abzuhalten. In Achim schließt diese Lücke eine Gruppe von Ehrenamtlichen.
Schon 15 Minuten vor Beginn füllt sich der Speisesaal der Seniorenresidenz „Am Paulsberg“ in Achim. Die Besucher des Gottesdienstes kommen mit Rollatoren und Rollstühlen, die meisten allein. Auch Christa Birkheuser ist an diesem Nachmittag dabei. Die 88-Jährige lebt seit mehreren Jahren im Seniorenheim. In die Kirche schaffe sie es schon länger nicht mehr, erzählt sie. Umso mehr bedeutet es ihr, dass alle vier Wochen ein Gottesdienst in ihrem Heim stattfindet. „Ich brauche das und es tut mir einfach gut“, sagt sie.
Diese Erfahrung machen auch Maria Wellen und Gudrun Napp. Zusammen mit Gaby Goretzki bilden sie ein eingespieltes Team, betreuen neben der Seniorenresidenz Am Paulsberg ein weiteres Seniorenheim in Etelsen – in jedem Heim wird alle vier Wochen Gottesdienst abgehalten. Ein weiteres Ehrenämtler-Team, bestehend aus Heiner Meyer und Helga Dehn, betreut weitere Seniorenheime. Jedes Gottesdienst-Team arbeitet eigenständig, bei Bedarf trifft man sich und tauscht sich aus.
Maria Wellen selbst ist eher zufällig zu ihrem Ehrenamt gekommen. Die Kommunionhelferin wurde gebeten, in Etelsen die Krankenkommunion zu spenden. „Daraus entstand dann seitens des Heimes schnell das Bedürfnis nach mehr seelsorgerischer Betreuung, dem wir dann auch gerne nachgekommen sind“, erinnert sie sich. Ein Anfang war gemacht.
Die Gottesdienste sind in der Regel gut besucht – an diesem Mittwoch sind es in Achim mehr als 30 Senioren. Über die gute Resonanz freuen sich die beiden Frauen, zumal sie erst zum dritten Mal Am Paulsberg sind. Zuvor hatte ein evangelischer Pfarrer die Gottesdienste gehalten – als er aufhörte, sprangen die Frauen bereitwillig in die Lücke. Die meisten der Bewohner kommen gut damit zurecht, dass nicht ein „echter“ Pfarrer, sondern zwei Frauen den Gottesdienst halten.
Gottesdienst nur durch Ehrenamtliche möglich
Allerdings erinnert sich Maria Wellen noch gut an ihre Anfangszeit in Etelsen. Eine ältere Dame fragte damals lautstark während des Gottesdienstes, wo denn eigentlich der Pfarrer bliebe. „Das hat mich erst sehr berührt, dann habe ich aber gedacht, wenn wir nicht kommen, dann kommt niemand“, sagt die 65-Jährige. Damit war die Sache für sie erledigt und auch die ältere Dame gewöhnte sich an die Neuerung.
Die Arbeit bereitet Maria Wellen und Gudrun Napp große Freude. „Es ist ein guter Dienst am Nächsten und auch wir selbst lernen viel bei der Vorbereitung, da wir uns ja intensiv mit Bibelstellen und -texten befassen“, sagen die beiden. Gerne bringen sie auch Dinge zum Anfassen mit – nicht zuletzt auch, um auch Menschen zu erreichen, die dement sind.
An diesem Tag haben sie einen Beutel mit Tonscherben dabei. Maria Wellen hat dafür eigens einen alten Blumentopf zerschlagen. Jeder der Bewohner bekommt eine Scherbe in die Hand, ertastet die Kanten und Schärfen. Maria Wellen erzählt derweil von den Scherben, die man nicht sieht, die aber jeder irgendwo in sich trägt und die weh tun. Dass sie den Nerv der alten Leute trifft, spürt man genau. Nicht nur einem steigen Tränen in die Augen, wohl jeder erinnert sich an alte Verletzungen und nicht geheilte Wunden. „Bringen wir diese Scherben zu Gott“, fordert Maria Wellen auf. Jeder gibt schließlich seine Scherbe ab. Sie kommen gesammelt in einen Korb auf den Altar – vor Gott.
Bewohner genießen die Atmosphäre
Es ist eine warme und tröstliche Atmosphäre, eine knappe Dreiviertelstunde dauert der Gottesdienst. Maria Wellen und Gudrun Napp nehmen sich bewusst Zeit. Anfangs sei ihnen empfohlen worden, die Gottesdienste auf 20 Minuten zu beschränken, alles Weitere sei zu anstrengend für die Bewohner. „Wir machen hier aber eine ganz andere Erfahrung“, sagt Gudrun Napp. Und tatsächlich: Die Bewohner genießen die Atmosphäre sichtlich. Musik, Texte und – nach Ende des Gottesdienstes auch noch das ein oder andere kurze Gespräch mit den engagierten Frauen. Begrüßt und verabschiedet wird nämlich jeder Gottesdienstbesucher ganz persönlich mit einem Handschlag und einem guten Wort für die kommenden Wochen.