Der volkstümlich geprägte Glaube der Menschen aus dem Osten wurde vielfach argwöhnisch beäugt. Aber es gab auch viele evangelische Gemeinden, die ganz selbstverständlich Räume und Hilfe anboten, um den Neuankömmlingen das geistliche Leben zu erleichtern. Ein Beispiel dieser Zeit ist Rehburg am Steinhuder Meer. Erinnerungen von Pfarrer Josef Barthel, einem gebürtigen Breslauer, der 2010 verstorben ist.
Aufgeregt blättert Pfarrer Josef Barthel in alten Fotoalben. „Hier sind sie ja“, sagt er. Die Schwarzweiß-Fotos mit dem weißen Riffelrand sind Dokumente eines blühenden kirchlichen Lebens. „Da, eine Einkleidung, und da auch eine“, sagt Pfarrer Josef Barthel, und sein Zeigefinger tippt von einem Foto zum nächsten, „In den vier Jahren, in denen ich Pfarrer in Rehburg war, sind acht junge Frauen in verschiedene Orden eingetreten. Eine starke Gemeinde!“
Die starke Gemeinde, von der Barthel da spricht, ist in den Jahren nach dem Krieg eigentlich noch gar keine Pfarrei, sondern gehört als Vikarie zu Neustadt am Rübenberge. Für den engagierten Seelsorger, der nach britischer Kriegsgefangenschaft in Paderborn Theologie studiert hat und 1950 in Hannover, St. Heinrich, von Bischof Godehard Machens zum Priester geweiht wurde, ist es die erste verantwortliche Stelle.
Die Rehburger Katholiken feiern ihre heilige Messe in der evangelischen Kirche „St. Martini“. Deren Pastor Hapke gewährt ihnen nicht nur die Gastfreundschaft, sondern erlaubt ihnen für den ganzen Monat Mai auch die Aufstellung eines Marienaltars – keine Selbstverständlichkeit in einer Zeit, als katholische Christen in einer überwiegend protestantisch geprägten Umwelt als Exoten betrachtet werden.
Für die starke Gemeinde ist im Jahr 1957 erst einmal guter Rat teuer. Denn die evangelische Kirche wird in den Jahren 1957 und 1958 renoviert. Der Konfirmandensaal, den der evangelische Pastor als Ersatz anbietet, ist zu klein. Die Kegelbahn des Rehburger Ratskellers, in die man für eine gewisse Zeit ausweicht, ist ebenfalls recht klein. Außerdem lastet, so sehr vorher auch gelüftet wird, auf jeder morgendlichen Sonntagsmesse ein Mief aus Alkoholdunst und Tabakqualm. Die Rettung kommt durch etwas, was Geistliche beider Konfessionen zu jener Zeit noch als sehr bedenklich ansehen: durch eine damals so genannte Mischehe.
Der katholische Volksschullehrer Martin Jäckel, ein Vertriebener aus Schlesien, hatte Eleonore, eine evangelische Rehburgerin, geheiratet. Von ihrem Vater, einem Tischlermeister, hatte die ein Haus mit einer großen Tischlerwerkstatt geerbt. Eleonore Jäckel stellt diese Werkstatt nun den Katholiken zur Verfügung und hilft ihnen damit aus der Klemme. In ehrenamtlicher Arbeit werden die Räume zu einer Behelfskirche umgebaut. Im Jahr 1958 weiht Bischof Heinrich Maria Janssen die kleine Kirche „Maria, Trösterin der Betrübten“ ein. 13 Jahre lang, bis zur Einweihung ihrer neuen Kirche „St. Marien“ am 13. November 1971, dient sie den Rehburger Katholiken als Gotteshaus.