Anfang 1948 wurde der inzwischen verstorbene Pfarrer Josef Barthel als Seelsorger im Flüchtlingslager Empelde bei Hannover eingesetzt. Damals ist er Diakon. Gemeinsam mit sechs anderen Diakonen soll er die Flüchtlingsseelsorge kennenlernen.
Das Lager ist das zweitgrößte Vertriebenenlager ganz Niedersachsens und wird vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) geleitet. Als Lagerkirche dient die ehemalige Fabrikhalle 114 der Dynamit AG, auf deren Fabrikgelände das ganze Lager errichtet ist. Sonntags feiern in der Lagerkirche die Katholiken zwei Messen und die Protestanten einen Gottesdienst. Der musikalischen Gesangsbegleitung dient beiden Konfessionen ein tragbares Harmonium, das der katholische Pfarrvikar Hadroßek im Sommer 1946 organisiert hat.
Den Lagerkindergarten für 60 bis 70 Jungen und Mädchen im Alter zwischen zwei und zwölf Jahre organisieren gemeinsam die Evangelische Innere Mission und die Nonnen der Grauen Schwestern von der Heiligen Elisabeth. Die jüngeren Kinder übernimmt Schwester Maria Mildrandis Warwas, die älteren Kinder Else Steinberg von der Inneren Mission. Sie ist gelernte Krankenschwester und Mutter von vier Kindern.
Schwester Maria Mildrandis wird bei Firmen, Ämtern und den im Lager tätigen internationalen Hilfsorganisationen sofort vorstellig, wenn es etwas für den Kindergarten zu gewinnen gilt. Zum Kleidermagazin, das die Quäker im Lager unterhalten, hat sie ebenso guten Kontakt wie zum Dänischen und Schwedischen Roten Kreuz.
Bei den Müttern ist Schwester Maria Mildrandis auch deshalb so beliebt, weil sie als gelernte Schneiderin bei den abendlichen Mütterrunden praktischen Rat fürs Nähen, Flicken und Stopfen geben kann. Als die politische Gemeinde Empelde im Januar 1948 Arbeitgeber für den Kindergarten wird, will sie Schwester Maria Mildrandis entlassen. Aber alle Mütter stehen hinter ihr. Katholische und evangelische Frauen protestieren vor dem Rat der Stadt Empelde und erzwingen, dass die Nonne bleiben darf.