Still sitzen kann sie nicht. Quirlig – dieses Wort beschreibt Helga Chrpa wohl ganz gut. Und wenn sie sich mal für eine halbe Stunde auf ein Gespräch konzentriert, dann wandern ihre Augen umher. Trotzdem verliert sie nicht den Faden, kommt auch nach einem kurzen Telefongespräch sofort wieder auf den Punkt zurück. Drei Wochen lang begleitete Helga Chrpa polnische KZ-Überlebende, die auf Einladung des Maximilian-Kolbe-Werkes zu einer Erholung nach Braunlage in den Harz gekommen waren – Menschen, die eine ganz andere Geschichte haben als sie selbst.
Helga Chrpa stammt aus Oberschlesien, hat einen Tschechen geheiratet, lebt seit vielen Jahren in Deutschland (heute bei Duderstadt), spricht perfekt polnisch, kann sich in die Mentalität dieser Menschen hinein denken – Voraussetzungen, eine Aufgabe zu übernehmen, die alles andere als leicht ist. „Aber sie ist für mich eine Bereicherung“, sagt Helga Chrpa. Für die frühere Altenpflegerin sind Begegnungen mit früheren KZ-Häftlingen ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens geworden.
Trotz ihrer Erlebnisse als junge Frau: „Vor allem in den 60er Jahren erlebte ich, wie viele Nachbarn nach Deutschland gingen“, erzählt Helga Chrpa, 1943 in Beuthen geboren. Als den Behörden bekannt wird, dass auch sie gehen möchte, muss sie die Hebammenschule verlassen. Die Geheimpolizei wird vorstellig: Wenn sie wenigstens den Bruder, einen Priester, unauffällig ausfragen könnte – vielleicht würde man dann einig werden. „Über solche Geschäfte hätte ich mich mein Leben lang geschämt“, sagt Helga Chrpa, die nach ihrer Verweigerung ständig neue Arbeitgeber suchen muss – in der Möbelfabrik, in der Gastronomie, bei einer Autofirma. „Aber ich konnte unterscheiden zwischen den polnischen Menschen und dem Staatsapperat“, sagt sie. Endlich, 1969, kommt die Ausreisegenehmigung: „Für mich und meine Mutter war es, als kämen wir ins Paradies“, erinnert sich Helga Chrpa, die damals nur polnisch sprach.
Mehrfach schon kam die Anfrage der Caritas, ob sie eine Gruppe polnischer KZ-Überlebender begleiten könne – das erste Mal 1989. „Damals war so etwas viel schwieriger. Diese Menschen können ihre Ängste nie verlieren, aber damals waren sie noch viel größer als heute“, vergleicht Helga Chrpa. Und sie begegnet ihnen mit allergrößter Hochachtung: „Ihnen wurde alles genommen: die Familie, die Jugend, die Gesundheit. Und jetzt freuen sie sich über den blauen Himmel, das Zwitschern der Vögel und einen gedeckten Tisch. Diese Menschen sind für mich ein Beispiel.“