Cautio Criminalis läutet das Ende der Hexenverfolgung ein

Rintelner Universitätsdruckerei veröffentlicht 1632 das wichtige Werk des Jesuiten Friedrich Spee

Er galt als feingeistiger Dichter des Barock. Er praktizierte Nächstenliebe, statt sie nur zu predigen. Und er kämpfte mit Erfolg gegen den Hexenwahn. Der Jesuit Friedrich von Spee (1591–1635) ist mehrfach mit dem Bistum Hildesheim verbunden.

Die alte Rebekka starb an einem Herbstmorgen des Jahres 1631. Unter großer Anteilnahme der Rintelner Bevölkerung wurde sie auf dem Scheiterhaufen vor der Stadt verbrannt. Das war schlecht für sie, aber zu der Zeit nicht ungewöhnlich. Von den damals rund 1100 Einwohnern des kleinen Städtchens an der Weser wurden 36 Frauen und drei Männer im Laufe der Jahre wegen Hexerei brutal gefoltert und anschließend hingerichtet.

In der Rintelner Eulenburg, in der heute das Heimatmuseum untergebracht ist, wird ein Teil der Werkzeuge ausgestellt, mit denen die angeblichen Hexen der „peinlichen Befragung“ unterzogen wurden – eine bunte Sammlung allerlei brutaler Geräte: Mit ihnen brachen die Folterknechte Arme und Beine, malträtierten den Schädel und verbrannten die Augen.

Friedrich von Spee

„Durch Folter könnte selbst der Papst gestehen, mit dem Teufel im Bunde zu sein“, war der Jesuit Friedrich von Spee überzeugt.

„Cautio Criminalis“ gegen die Hexenverfolgung

In der Rintelner Universitätsdruckerei erschien 1631 seine „Cautio Criminalis“ gegen die Hexenverfolgung, hier eine spätere Ausgabe.

Zeichnung Hexenverbrennung

Mit dem Teufel im Bunde? Wer deswegen verleumdet und angeklagt wurde, starb nach Verhör und Folter einen grausamen Tod.

Walter Rupp

Walter Rupp, selbst Jesuit, hat eine Biografie über seinen Mitbruder Friedrich von Spee geschrieben.

Cautio Criminalis erscheint 1631 in Rinteln 

Mitten in diesem Höllen-Sammelsurium liegt in einer Vitrine eine aufgeschlagene Ausgabe der „Cautio Criminalis“, verfasst von dem Jesuiten Friedrich von Spee im Jahr 1631, herausgegeben von der Rintelner Universitätsdruckerei. Die Schrift, auch eine Antwort auf den 200 Jahre zuvor von dem Dominikaner Heinrich Kramer veröffentlichten „Hexenhammer“ (Malleus Maleficarum), sorgte für Aufsehen, weil sich Spee darin ganz deutlich gegen die durch Folter erzwungenen Geständnisse aussprach. Spees Werk hatte maßgeblichen Anteil am Ende des Hexenwahns. 

Wer war dieser Mann? Geboren wird Friedrich von Spee als Sohn eines Burgvogts am 25. Februar 1591 in Kaiserswerth, besucht das Jesuiten-Gymnasium in Köln und tritt 1610 in den Orden ein. Als Moraltheologe lehrt er in Paderborn, als Dichter schreibt er viele Choräle, von denen einige noch heute im Gottesdienst gesungen werden („O Heiland, reiß die Himmel auf“).

Bald allerdings werden seine Vorgesetzten auf ihn aufmerksam, weil er sich auch über die Jesuiten kritisch äußert. Sein Orden schickt ihn ins nach der Reformation protestantisch gewordene Norddeutschland: In Peine soll Spee im Zuge der Re-Katholisierung die Menschen zum rechten Glauben zurückführen. 

In Peine wird der Jesuit überfallen und verletzt 

„Dabei kann Friedrich Spee nicht unbedingt als Gegner des Protestantismus gelten, zumal zu seiner Zeit die Konfessionen längst nicht klar abgegrenzt waren“, sagt Walter Rupp, Jesuit in München. Er hat seinen Mitbruder in einer Biografie beschrieben und sich intensiv mit seinem Leben auseinander gesetzt. Auch in Peine jedenfalls bleibt Spee seinen Übezeugungen treu und redet selbst dann Klartext („nicht ohne heilsame Einschüchterung“), wenn es ihm selbst eher schadet. Es kommt zu einem Zwischenfall: Als der Jesuit 1629 im Morgengrauen auf dem Pferd ins benachbarte Woltorf unterwegs ist, um dort den Gottesdienst zu feiern, wird er überfallen und schwer am Kopf verletzt.

Es könnte während seiner viele Wochen dauernden Genesung im Kloster Corvey gewesen sein, dass sich Spee mit dem Thema Hexenverfolgung intensiv befasst. Als Beichtvater dieser armen Frauen – und durchaus auch Männer – ist ihm klar, welches Unrecht im Namen der weltlichen Herren (und geduldet auch von der Kirche) da vor sich geht. Schon als Moraltheologe hat er als Prinzip gelehrt: „Es ist besser, dreißig oder mehr Schuldige laufen zu lassen, als auch nur einen Unschuldigen zu bestrafen.“  Und was die Folter angeht, ist Spee längst überzeugt: Selbst der Papst würde gestehen mit dem Teufel im Bunde zu sein, wenn er nur lange genug gequält würde.

Die erste Auflage der Cautio Criminalis erscheint in Rinteln unter eher mysteriösen Umständen: Spee selbst gibt sich als anonymer Verfasser zunächst nicht  zu erkennen. Seinen Oberen gegenüber deutet er an, dass möglicherweise ein Freund, dem er das Manuskript zum Lesen anvertraut habe, die Veröffentlichung veranlasst haben könnte. Trotzdem bekommt er zunächst großen Ärger: Der Rektor des Paderborner Kollegs entzieht ihm die Lehrerlaubnis. Allerdings erfährt er auch Unterstützung: Der Ordensgeneral rehabilitiert ihn und verhindert, dass die Cautio Criminalis auf den Index gesetzt wird.

Spee stirbt 1635 in Trier an den Folgen einer Seuche, mit der er sich bei seinem Einsatz für Kranke angesteckt hat. „Bis heute hat er nicht den Platz in der Geschichte, der ihm zusteht“, bedauert sein Biograph Walter Rupp. Auch die Kirche habe es vorgezogen, von ihm so wenig wie möglich zu reden – „vielleicht aus Furcht, er könnte die Erinnerung an einen dunklen Abschnitt ihrer Geschichte wecken“.

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Rinteln, Niedersachsen
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